NRW-Piraten mit Wahlprogramm und weiblichem Kapitän

Die Piratenpartei Nordrhein-Westfalen beschloss auf ihrem Landesparteitag am Wochenende das Programm für die Landtagswahl im Mai. Außerdem wählten die NRW-Piraten einen neuen Vorstand: Erstmals repräsentiert eine Frau den Landesverband.

Die NRW-Piraten verabschieden zum ersten mal ein breit gefächertes Wahlprogramm mit besonderen Akzenten in der Bildungspolitik. Das Bildungssystem soll massiv refomiert werden. Geplant ist unter anderem die Umstellung auf ein eingliedriges Schulsystem und eine individuelle Planung der Schullaufbahn. Das Bafög soll erhöht und die Studiengebühren abgeschafft werden. Die Piratenpartei NRW will zudem den Universitäten ihre demokratische Selbstverwaltung zurückgeben. Dazu sollen unter
anderem die Senate der Universitäten neu zusammengesetzt werden. Ziel ist die Gleichberechtigung von Mitarbeitern, Studenten und Professoren.

Auch im Bereich Wirtschaft hat die Piratenpartei NRW konkrete Forderungen für die Landespolitik: Einer der wichtigsten Punkte ist der Ausstieg des Landes aus dem Engagement bei der WestLB. Es muss eine transparente und unabhängige Sonderprüfung und Aufklärung des finanziellen Desasters bei der Landesbank stattfinden. Zudem wollen sich die NRW-Piraten unter anderem für eine langfristig ausgerichtete Wirtschaftspolitik und eine transparente Auftragsvergabe durch das Land einsetzen.

Keine Überraschungen bieten die Forderungen der Piraten in der Medienpolitik: Die Bürger brauchen Medien, die völlig unabhängig von politischer Einflussnahme berichten können. Gleichzeitig dürfe es keine Informationshoheit einzelner Medienkonzerne geben. Rundfunkgebühren auf Handys und Computer, die nicht zum Rundfunk- oder Fernsehempfang genutzt werden, lehnt die Piratenpartei ab.

Nahezu einstimmig verabschiedeten die Piraten die Beschlussvorlage zur Innenpolitik. Die von der CDU geplanten Maßnahmen wie Hilfspolizisten oder automatisches Erfassen von Autokennzeichen lehnen die Piraten strikt ab. Im Gegenteil sollten die Bürgerrechte gegenüber staatlicher Überwachung und Bevormundung gestärkt werden; Polizei und Geheimdiensten seien besser zu kontrollieren. So soll etwa ein »Nummernschild« an Polizeiuniformen gegen Übergriffe schützen und nötigenfalls die
Aufklärung erleichtern.

In puncto Umwelt setzt die Piratenpartei NRW auf Nachhaltigkeit. Umweltschonende Technologien sollten bevorzugt genutzt werden, die Entwicklung neuer Technologien in diesem Bereich seien voranzutreiben. Zudem gelte es, die Bürger stärker in die Entscheidungsprozesse einzubinden und Lobbyismus und Korruption zu bekämpfen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Strom- und Wärmeerzeugung solle erhöht werden. Eine Stromproduktion durch Kernspaltung lehnen die NRW-Piraten ab, da die Folgen für nachfolgende Gerenationen nicht absehbar sind. Unterstützung findet dagegen unter anderem eine Förderung regionaler Aktivitäten zum Umwelt- und Klimaschutz, ebenso das »Szenario 2015« der Verbraucherzentrale NRW sowie das Verbandsklagerecht. Die Piratenpartei NRW fordert zudem, den § 26 des Gesetzes zur Landesentwicklung umgehend wieder in Kraft zu setzen.

Wissenschaftliche Ergebnisse, die von der öffentlichen Hand gefördert werden, sollen für jedermann frei verfügbar sein, fordert die Piratenpartei unter dem Stichwort »Open Access«. Universitäten in Nordrhein-Westfalen sollen Forschungsprojekte vergeben, die sich mit der Weiterentwicklung digitaler Bibliotheken auseinandersetzen.
Förderungswürdig sollen vor allem Forschungsprojekte solcher Wissenschaftler sein, die ihre Publikationen der Allgemeinheit kostenfrei zugänglich machen. Dazu NRW-Listenkandidat Bastian Greshake: »Nordrhein-Westfalen ist einer der führenden Wissenschaftsstandorte. Dieser Verantwortung sollten wir uns bewusst sein und dafür sorgen, dass die hier arbeitenden Wissenschaftler den Anschluss nicht verlieren. Der freie Zugang zu den wissenschaftlichen Ergebnissen ist essentiell.«

Schutz der Bürgerrechte heißt nach Ansicht der Piraten auch Verbraucherschutz. Die Piratenpartei lehnt es entschieden ab, die Interessen der Verbraucher zugunsten denen der Industrie zu opfern. Die Partei sieht sich als Vertreter der Bürger, die im allgemeinen nur über eine schwache oder gar keine Lobby verfügen. »Die Piratenpartei ist eine parteigewordene Bürgerbewegung«, bringt es Landespressesprecher Rainer Klute auf den Punkt. Konkrete Forderungen sind beispielsweise ein »Verbraucher-Check« für Landesgesetze oder das Verbot kostenpflichtiger Telefonwarteschleifen.

Bei der Vorstandswahl widerlegte die Piratenpartei die These, sie sei eine reine Männerpartei: Unter vier Kandidaten wählten die NRW-Piraten die 40-jährige Dortmunder Lehrerin Birgit Rydlewski zur Ersten Vorsitzenden – mit 114 Stimmen und einem eindrucksvollen Vorsprung gegenüber dem Zweitplatzierten Ralf Gloerfeld (67 Stimmen).

Gloerfeld kam immerhin als Zweiter Vorsitzender zum Zug. Der 44-Jährige Diplom-Ingenieur der Elektro- und Nachrichtentechnik kommt aus Wuppertal. Bei der Wahl erhielt er mit 105 von 213 abgegebenen Stimmen ebenfalls deutlich den Vorzug vor den übrigen vier Kandidaten.

Auf den Posten des Politischen Geschäftsführers wählten die Piraten erneut den bisherigen Amtsinhaber Richard Klees (24), der in Aachen Physik studiert. Er hatte keinen Gegenkandidaten und erhielt 95 Prozent der abgegebenen Stimmen. Mit 87 Prozent der Stimmen wählten die NRW-Piraten Dennis Westermann (23) zum neuen Schatzmeister. Westermann ist leitender kaufmännischer Angestellter und lebt in Hamm. Zu Verwaltungspiraten wurden Arndt Heuvel, Ulrich Schumacher und Carsten
Trojan gewählt.

Wichtig für den Wahlkampf der Piratenpartei ist dessen Finanzierung. In der Schatzkiste sieht es zur Zeit nicht gerade üppig aus: Im unteren fünfstelligen Bereich liegt das Wahlkampfbudget. Zur Zeit diskutieren die Piraten verschiedene Möglichkeiten der Spendenwerbung. Auch die Gründung einer Aktiengesellschaft ist eine Option. Fest beschlossen ist dagegen bereits die Politkunstaktion EIN STÜCK FREIHEIT, die ihr Initiator Rolf Haberbeck auf dem Parteitag präsentierte. Dabei sollen die Plakate aus dem ersten Bundestagswahlkampf der Piratenpartei zu Kunstwerken werden, entsprechende Preise bringen und so Geld in die Kasse bringen.

Die Diskussion weiterer Punkte des Wahlprogramms wurde aus Zeitgründen auf den kommenden Sonntag vertagt. Die Beschlussvorlagen der Arbeitskreise zu den Themen Drogenpolitik, Bürgerbeteiligung, Arbeit und Soziales, Gesundheit, Kultur, Bauen und Verkehr stehen später auf der Agenda. Das gleiche Schicksal traf die zahlreichen Anträge auf Satzungsänderungen.

Quelle: Pressemitteilung der Piratenpartei NRW

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